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"Segmented Approach": Aktivismus im Bemühen auf verbesserten Schallschutz

Sie gehen gemeinsam vor: (von links) Bürgermeister Manuel Friedrich (Stadt Obertshausen), Bürgermeister Dirk Gene Hagelstein (Stadt Neu-Isenburg),  Bürgermeister Steffan Ball (Stadt Heusenstamm), Oberbürgermeister Udo Bausch (Stadt Rüsselsheim), Noreen von Schwanenflug (Rechtsamt Stadt Rüsselsheim), Thomas Mehler (HALDENWANG Rechtsanwälte), Dr. Markus Bucher (Natur- und Umweltschutz Stadt Neu-Isenburg). 
Foto: Stadt Rüsselsheim am Main
Sie gehen gemeinsam vor: (von links) Bürgermeister Manuel Friedrich (Stadt Obertshausen), Bürgermeister Dirk Gene Hagelstein (Stadt Neu-Isenburg), Bürgermeister Steffan Ball (Stadt Heusenstamm), Oberbürgermeister Udo Bausch (Stadt Rüsselsheim), Noreen von Schwanenflug (Rechtsamt Stadt Rüsselsheim), Thomas Mehler (HALDENWANG Rechtsanwälte), Dr. Markus Bucher (Natur- und Umweltschutz Stadt Neu-Isenburg).
Foto: Stadt Rüsselsheim am Main

Die durch den sogenannten „erweiterten Probebetrieb“ des Segmented Approach betroffenen Städte und Gemeinden sind nicht bereit, eine nicht durch rechtsstaatliche Verfahren eingeführte Fluglärmbelastung vor allem in der Nacht schlicht hinzunehmen. Musterhaft für insgesamt 15 Gebietskörperschaften haben die Städte Neu-Isenburg, Heusenstamm und Rüsselsheim am Main deshalb einen Antrag auf einstweiligen Rechtschutz beim zuständigen Hessischen Verwaltungsgerichtshof eingereicht und beantragt, das Flugverfahren einstweilen zu untersagen.
 
Das Anflugverfahren des „Segmented Approach“ wurde 2011 eingeführt und darf nach der Rechtsverordnung lediglich für die wenigen, nicht planmäßigen Verspätungslandungen zwischen 23 Uhr und 5 Uhr durchgeführt werden. Nun wird entgegen der Rechtslage das Anflugverfahren als „Probebetrieb“ in der ganzen Nacht und am Tag durchgeführt. „Wenn wie geplant durch den Probebetrieb sämtliche Nachtflüge über Heusenstamm anfliegen, treten bei uns Lärmbelastungen von 50 dB Dauerschallpegel ein. In diesem Bereich ist gesunder Schlaf ausgeschlossen, und es müssten Schallschutzfenster bei den Betroffenen eingebaut werden“, sagt der Bürgermeister der Stadt Heusenstamm, Steffen Ball. „Unser Stadtteil Gravenbruch, dessen nördlicher Rand durch die Autobahn A3 bereits sehr stark verlärmt ist, erhält einen satten Aufschlag – und das aus Lärmschutzgründen“, ergänzt Dirk Gene Hagelstein, Bürgermeister der Stadt Neu-Isenburg. „Das macht keinen Sinn.“
 
Die deutlichste Zusatzbelastung ergibt sich bei dem geplanten Betrieb für den Rüsselsheimer Stadtteil Bauschheim, wie die Berechnung des renommierten Instituts Wölfel Ingenieure im Auftrag der Gebietskörperschaften errechnet hat. „Hier erhöht sich der Lärm“, erläutert Oberbürgermeister Udo Bausch angesichts von zu erwartenden Aufschlägen. „Wir sind in Sorge um unsere kommunalen Einrichtungen wie Schulen sowie Kindertagesstätten, die in einem beinahe fluglärmfreien Bereich der Stadt errichtet wurden und deshalb baulich nicht auf den Fluglärm ausgerichtet worden sind.“
 
Die Fluglärmkommission (FLK) sowie die Fluglärmbeauftragte des Landes Hessen befürworten den seit längerem durchgeführten Probebetrieb zwar, um Erkenntnisse über die Vereinbarkeit dieses nur im sogenannten Parallelbetrieb möglichen Anflugverfahrens mit den übrigen Anflügen zu gewinnen. Steigt im Tagesverlauf die Anzahl der Landungen, erweist sich das Verfahren des Segmented Approach jedoch als verkehrliches Hindernis und führt zu einer Kapazitätseinschränkung der Flughafenanlage. Fraglich bleibt deshalb, ob wie angedacht auch in der Praxis die Großstädte Offenbach und Mainz entlastet werden können. Problematisch ist auch, dass FLK und FFR sich auf den sogenannten „Frankfurt Fluglärm Index 2.0“ stützen, wenn sie eine Entlastung errechnen, dieser Index aber nicht berücksichtigt, dass einige Betroffene passiven Schallschutz haben, andere – gerade in Heusenstamm, Gravenbruch und Rüsselsheim – aber nicht.
 
Das Argument des erforderlichen Probebetriebs ist aus Sicht der betroffenen Gebietskörperschaften nicht mehr zu akzeptieren. Zum einen ist bereits das Segmented Approach-Verfahren 2011 als „Probebetrieb“ eingeführt worden, der aber niemals beendet wurde. Zum anderen steht aus Sicht der neu betroffenen Gebietskörperschaften längst fest, dass ein Segmented Approach spätestens ab 40 bis 42 Anflügen pro Stunden nicht mehr durchgeführt werden kann. Hinreichende Erkenntnisse erbrachte insoweit der bereits vom 1. März 2021 bis 31. Dezember 2021 durchgeführte Probebetrieb, bei dem das Anflugverfahren gerade in verkehrsreichen Zeiten nur äußerst selten im unteren einstelligen Prozentbereich genutzt wurde.
 
Gegenwärtig ist ein Koordinierungseckwert von 104 festgelegt, das heißt, dass bei einer Gleichverteilung von Start und Landungen 52 Landungen koordiniert sind. Bereits bei dieser koordinierten Flugbewegungszahl ist lediglich eine Entlastung in den äußersten Tagrandstunden (6 Uhr bis 7 Uhr) und in den Nachtstunden betrieblich möglich. Selbst in diesen Stunden ist aber für diese Fluglärmbetroffenen, die eine Entlastung verdienen, eine vollständige flugbewegungsfreie Zeit zu erwarten, da der Anflug über das Präzisionsanflugverfahren des ILS (Instrumentenlandesystem) bei Schlechtwetterlagen etc. der Regelanflug bleiben wird und es ausgeschlossen erscheint, dass am Tag große Anteile der Anflüge auf das Nicht-Präzisionsanflugverfahren des Segmented Approach verlagert werden können. In den übrigen Tagstunden verbleibt es also für diese Menschen bei der wie bisher sehr hohen Belastung. Bisher errechnete Entlastungen liegen im Bereich von 0,1 bis 0,4 Dezibel.
 
Für die neubetroffenen Gebiete stellt sich die Sache anders dar. Hier kommt zu der bestehenden Belastung insbesondere durch Abflüge eine weitere Belastung hinzu, weshalb diese Bevölkerungsgruppen dann so schlecht dastehen, wie diejenigen Personen, die die vermeintliche Schallschutzmaßnahme des Segmented Approach entlasten möchte. Gerade die vorgesehene Nachtlärmbelastung dieser Bevölkerungsteile birgt den gefährlichen Umstand, dass die zusätzlich überflogenen Gebiete nicht aufgrund des Lärmschutzbereichs des Hessischen Ministeriums aufgrund des Ausbau des Flughafens Frankfurt/Main mit passivem Schallschutz (Lärmschutzfenster, Schalldämmlüfter) versorgt worden sind. Sie trifft also eine Lärmbelastung zur Nachtzeit und in den Tagrandstunden, unter der vor allem die früher ins Bett gehenden Kinder leiden, schlimmer, als die mit passivem Schallschutz versorgten Haushalte.
 
Angesichts dieser im Ergebnis widersprüchlichen Auswirkungen der Schallschutzmaßnahme stellt sich offenkundig die Frage, warum nicht Schallschutzmaßnahmen etabliert werden, die allen Betroffenen helfen, wie zum Beispiel die Ausdehnung des Nachtflugverbots auf die Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr, Anhebung des Anflugwinkels, eine wirksame Lärmobergrenze, Anreize bei der Flottenerneuerung usw. Die Tatsache, dass die Institutionen, die sich für den aktiven Schallschutz berufen fühlen, nunmehr seit vielen Jahren mit hohem Aufwand an dem zweifelhaften Verfahren des Segmented Approach festhalten, ohne dass hier bisher irgendwelche durchgreifenden Entlastungen erzielt worden wären, lässt befürchten, dass über diese Beschäftigung die Befassung mit sinnvollen Alternativen in Vergessenheit gerät. Es wäre aus Sicht der neubetroffenen Kommunen spätestens aufgrund der Erkenntnisse des Probebetriebs 2021, bei dem sich gezeigt hat, dass die Fluggesellschaften und Flugzeugführer den Segmented Approach ablehnen, erforderlich gewesen, von dem Verfahren des Segmented Approach endgültig Abstand zu nehmen und sich besseren Schallschutzmaßnahmen zuzuwenden. Es hat den Anschein, als sei das Festhalten an dem Segmented Approach längst eine politische und nicht mehr eine fachliche Entscheidung. Es besteht die Gefahr, dass den Bürgern hier große Entlastungen versprochen werden, die sich in der Realität gar nicht umsetzen lassen, um einen Aktivismus im Bemühen auf verbesserten Schallschutz vorzuspielen.

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