Stadt Obertshausen

Mehr als 30 Jahre lang hat Enjila Anwary als Lehrerin für Mathematik und Physik gearbeitet, 13 Jahre davon war sie sogar als Schulleiterin tätig. Jetzt ist alles anders: Vor zwei Jahren ist Enjila Anwary aus ihrem Heimatland Afghanistan geflüchtet. In Obertshausen hat die sympathische Frau nun eine neue Heimat gefunden – aber sie muss viel entbehren. Zwar lebt ihr Sohn schon seit längerer Zeit in Obertshausen, aber ihren Mann und ihre beiden Töchtern vermisst Enjila Anwary sehr. Die Sorge um ihre Familie, die derzeit in Pakistan ist, ist groß, der Kontakt nur selten möglich.
 
Ein wenig Ablenkung hat ihr ein vierwöchiges Praktikum in der Kita Vogelsbergstraße gebracht. Motiviert und mit einem Lächeln im Gesicht spielt, lernt und malt die gelernte Lehrerin mit den Jungen und Mädchen der roten Gruppe. „Ich gehe morgens glücklich hierher“, sagt Enjila Anwary. Und ganz nebenbei lernt sie bei verschiedenen Spielen auch noch gemeinsam mit den Kindergartenkindern einige neue deutsche Wörter. „Viel geht mit Händen und Füßen“,  erklärt Cathrin Laupichler, die als Erzieherin in der roten Gruppe tätig ist. Die Zusammenarbeit funktioniere dennoch gut und Enjila Anwary bringe auch viele kreative Ideen mit ein.
 
Viel Spaß hat es der Afghanin auch bereitet, das in der Einrichtung beliebte Buch „Kleiner weißer Fisch“ auf Dari zu übersetzen. Und die Kinder lauschten gespannt dem fremden Klang ihrer Lieblingsgeschichte. 
 
Für das Kita-Team war es keine Frage, ob die neue Praktikantin Flüchtling ist oder nicht. „Wir haben hier ja oft Praktikanten bei uns“, erklärt Kita-Leiterin Sabine Mauser-Dilsiz. Gemeinsam mit ihrem Team hat sie die Möglichkeiten besprochen, Enjila Anwary als Praktikantin in der Einrichtung einzusetzen. Wobei es natürlich auch um die Deutschkenntnisse ging.
 
Derzeit lernt Enjila Anwary zweimal in der Woche mit einer Ehrenamtlichen der Flüchtlingshilfe Deutsch. Einen Integrationskurs kann die dreifache Mutter jedoch erst besuchen, wenn der Aufenthaltstitel vorliegt. Annegret Kraus ist für die Arbeit mit Flüchtlingen und Ehrenamtlichen bei der Stadt Obertshausen angestellt und hat Enjila Anwary auch das Praktikum vermittelt.
 
Der Bedarf nach Praktikums- oder Ausbildungsplätzen ist groß. Und so sucht die Flüchtlingshilfe Obertshausen weitere Unternehmen, die bereit sind Praktikumsplätze für Flüchtlinge anzubieten. „Ideal wäre natürlich auch die Perspektive auf einen anschließenden Ausbildungsplatz“, sagt Annegret Kraus.
 
Enjila Anwary hatte Glück. Die Zeit als Praktikantin im Kindergarten hat ihr gut gefallen und sie hat viele neue Eindrücke gesammelt. Um jedoch als Erzieherin arbeiten zu können, müsste sie eine entsprechende Ausbildung machen – und weiter Deutsch lernen. Gemeinsam mit dem Team der Flüchtlingshilfe Obertshausen sucht Enjila Anwary nach beruflichen Möglichkeiten.
 
Das Praktikum hat die 56-Jährige mittlerweile beendet. Und Enjila Anwary möchte sich weiter für ihre neue Heimatstadt engagieren. So gibt die dreifache Mutter Flüchtlingskindern Tipps bei den Hausaufgaben in Mathematik und Physik. Das macht sie gern und es lenkt auch ein wenig von den Gedanken um ihren Mann und ihre beiden Töchter ab – genauso wie das Praktikum.
 
Unternehmen, vorzugsweise in Obertshausen, die Praktikums- und Ausbildungsplätze für Flüchtlinge haben, melden sich bei der Flüchtlingshilfe Obertshausen unter Telefon: 06104 7036102 oder per E-Mail: fluechtlingshilfe@obertshausen.de. Gesucht werden besonders Plätze im Bereich Bäckerei, Küche, Mediengestaltung/Medien-Design, Schreinerei und Kosmetikstudio.